Samstag, 30. November 2013

Erster Rundbrief

Hier ein offizieller Rundbrief, der das erste Trimester meines Jahres zusammenfassen soll. Viel Spaß beim lesen.

Nicht jeder Tag im Büro des Centre 72 birgt eine spannendes Ereignis in sich. Häufig sind es sogar nur Kleiderspenden und Anrufe, die die Zeit am Empfang ausfüllen. An manchen Tagen geschehen aber auch die schönen sinngebenden Momente unserer karitativen Arbeit...

Seit 3 Monaten lebe ich nun bei einer überaus freundlichen Gastfamilie in Colombes, mit dem Zug 11 Minuten von Paris entfernt. Meine Arbeitsstelle ist das Centre 72 in Bois-Colombes, ein gemeinnütziges Zentrum, welches neben einer protestantischen Kirche viele wöchentliche Freizeitangebote (u.a. Yoga, Gitarre..), monatliche Ereignisse und auch eine karitative Arbeit beherbergt.
Meine Woche beginnt mit dem Empfang von Obdachlosen in unserem Foyer. Wir bieten Kaffee und Sandwichs an, geben Kleiderspenden aus, kommen ins Gespräch und spielen häufig Scrabble. Weiter in der Woche geht es mit der Gartenarbeit und an mehreren Tagen Empfangsarbeit im Büro. Die Woche endet dann am Sonntag mit meinem regelmäßigen Musikdienst im Gottesdienst oder dem monatlichen Abenteuertag mit den Pfadfindern.
Dazwischen: Besprechungen, Bestuhlungen und Vorbereitungen kleinerer und größerer Veranstaltungen. Als überall bekannte Veranstaltung in Bois-Colombes und Umgebung gilt die beliebte Braderie ( = Verkauf zu Spottpreisen). Ein Großereignis, das nur durch die beeindruckende Leistung der ehrenamtlichen Helfern zustande gebracht werden kann. 1-2 Tage Aufbau, 2 Tage Verkauf, Abbau - und das alle zwei Monate. Täglich erreichen uns Säcke mit Kleider-, Bücher-, Kleinmöbel-, und Spielwarenspenden, die von unbezahlten Kräften stundenlang sortiert und gelagert werden. Aus diesen Kleiderspenden bedienen wir neben den Klienten am Montag auch zwei mal die Woche Arbeitslose. Der Großteil wird aber für die Braderien aufgehoben, an denen ein Hemd bspw. nur 1€ kostet und deren Erlös ebenfalls einen wohltätigem Zweck zufällt. In der Boutique bekommt man auch schon mal einen Anzug für 10€, der neu im Geschäft 500€ gekostet hätte. Dieses Beispiel zeigt auf einfache Weise die große soziale Ungleichheit im Großraum Paris auf. Sei es der BMW X6 oder sogar ein Taxi, das vor dem Centre vorfährt und wertvolle, teils neue Kleiderspenden abliefert, die später im Hackendretter zum neuen Besitzer gebracht werden, seien es die Heimatlosen, die neben Pariser Prunkpalästen oder am Ufer der Seine ihr Notquartier errichten – hier klafft die soziale Schere weiter auseinander als die Vorstellungen der Großen Koalition.
Sich beim Unkraut jäten oder Kleider falten als Teil einer Wohltätigkeitskette zu verstehen ist gar nicht immer so einfach. Manchmal vergingen Tage im Büro, an denen nichts des Protokolls würdig gewesen ist und ich mich fragte, was ich hier eigentlich mache.
Als eines Nachmittags Monsieur Martin unser Büro betrat, sollte sich meine Einstellung zu unserer Präsenz aber fundamental verändern. Am besagten Nachmittag habe ich aufgrund meiner mangelnden Sprachkenntnisse noch den Empfang mit einer Dame zusammen verbracht, als ein völlig aufgelöster Mann sich vor unseren Schreibtisch setzt. Er gibt sich als Monsieur Martin aus, der sich als Straßenmusiker in meiner Stadt das Geld verdiente und ruhelos berichtet, wie ihm seine beiden Gitarren gestohlen wurden und ihm somit sein einziges Arbeitsmittel verloren gegangen ist. Nicht zuletzt seine gesungene Kostprobe einer seiner Komposition lässt uns dem Betroffenem Glauben schenken und wir schenken M. Martin ein Ohr, als er uns die mangelnde Obdachlosenhilfe in den Vororten schildert. Als wir dem Unglücksmenschen Pflegemittel und eine große Jacke aus der Kleiderkammer anbieten können, probiert M. Martin diese sofort an und scheint sich darin sehr wohl zu fühlen. Er ist zutiefst dankbar und sichtlich erfreut über dieses Geschenk. Wir sind gerührt. Nicht immer haben wir es bei unserer Arbeit mit netten oder dankbaren Menschen zu tun. Dieses mal aber hat sich gezeigt, warum es sich lohnen kann stundenlang ohne ein Merci Kleider zu sortieren oder einfach nur präsent zu sein. In solchen Momenten ergibt der ganze Aufwand einen Sinn und die Stunden der größten Langeweile oder harten Arbeit entpuppen sich als Standfüße für den Dienst am Nächsten.
Tage später sehe ich M. Martin zitternd auf einer Bank in Colombes. Mit Mantel, ohne Gitarre.
„Keine Dusche, kein Essen, kein Schlafplatz.“, hatte M. Martin uns bei seinem Besuch erzählt.
„Können Sie nicht bei einer Assoziation in Colombes eine Mahlzeit erhalten?“.
„Da wartet man 2 Stunden auf ein kleines Stück Baguette und Reis!“, hatte der Heimatlose meiner Kollegin aufgewühlt zur Antwort gegeben.
Menschen wie M. Martin sieht man stündlich. Bettelnd vor Kirchen, in Zügen, an Metro Stationen, mit ihren Kindern auf der Straße. Ich hatte mir angewöhnt, diesen vielen Einzelschicksalen keine Beachtung zu schenken. Das Schicksal von M. Martin hat mir aber aufgezeigt, was es bedeutet obdachlos zu sein. Auch wenn in Frankreich ein Recht auf Wohnung und das Recht auf Arbeitslosengeld besteht, fehlt es praktisch im Großraum Paris überall an Kapazitäten um den Flüchtlingsanstürmen und Arbeitslosenmassen stand zu halten. Seit M. Martin weiß ich, dass es sich lohnt, für jeden Einzelnen einen Dienst gegen die Armut zu tätigen. Auch wenn die Armut dadurch nie gestoppt werden kann, so ist es dennoch unabdingbar, den Versuch zu wagen, so viele Menschen wie möglich zu sättigen. Viele Assoziation und ehrenamtliche Helfer haben sich dies im Großraum Paris zum Ziel genommen. Eine dieser Assoziation nennt sich „Restos du coeur“, eine Art Tafel, bei der ich seit Ende November mitarbeite. Morgens werden dort Lebensmittel ausgegeben, abends fährt ein Transporter den Bahnhof der Stadt an und wir freiwilligen schmieren Sandwichs und schenken Suppe und Getränke aus. Diese Arbeit macht mir sehr viel Spaß und es ist ein tolles Gefühl auf so unmittelbare Weise den Bedürftigen helfen zu können.

Neben dem Schatten der Armut, der über Paris und seinen Vororten liegt, habe ich aber ansonsten natürlich nicht nur Trauer zu berichten. Ich habe bereits einem großem Filmkomponisten die Hand geschüttelt, allerhand Konzerte und Museen besucht und kann von Paris in dieser Hinsicht nur schwärmen. Ich habe in Paris eine baptistische Gemeinde gefunden, in der auch ersatzweise als Pianist aushelfe und habe dort Bekanntschaften mit neuen Freunden aus Texas, Brasilien und Irland gemacht. Die Diskussionen über die verschiedenen Kulturen (besonders Deutschland fällt leider meistens aus dem Rahmen) ist immer ein Riesenspaß. Mit den zwei weiteren deutschen Freiwilligen aus dem Großraum Paris Niklas und Christoph setzen wir uns in einen Park, fahren mit der Metro und beobachten das Treiben der Touristen, während wir uns über den Alltag der letzten Woche austauschen und die französische Lebensart kommentieren. Bis auf die Bierpreise kann man sich hier aber über nichts beklagen.

Ich danke Euch allen für Eure Unterstützung und Ermöglichung dieses bisher schon großartigen Erfahrung,

Euer Gabriel


Mittwoch, 13. November 2013

5. fête de la soupe

Letzten Samstag fand das 5. alljährliche Suppenfest im Centre statt. Sei es die Gemeinschaftspolitik der Vororte oder einfach die Essensmentalität der Franzosen - so etwas habe ich noch nie erlebt! Das Prinzip ist einfach: Jeder der will, bringt eine selbst gekochte Suppe mit, die er über aufgebauten Gaskochern im Innenhof erwärmen kann. Diese schenkt er dann an alle aus, die einmalig für wenige Euros eine Tasse am Eingang gekauft haben. Ein einzigartiges Nachbarschaftsfest. Über 300 Leute aus Bois-Colombes und den angrenzenden Städten sind zum Suppen probieren her gekommen und haben bei Musik, Lagerfeuer und warmer Suppe das Gespräch mit Nachbarn und Freunden gesucht, Rezepte ausgetauscht (Kürbis-Roquefort-Suppe war eindeutig die beste) und das anschließende Musikprogramm im Haus genossen. Dabei wurden wir sogar von den Rathäusern zwei Städte mit aufgebauten Zelten und verliehenen Bänken kostenlos unterstützt. Es mag an der geringeren Einwohnerzahl liegen oder dem noch geringeren Unterhaltungsangebot, aber das Centre ist im ganzen Umkreis als Freizeitort bekannt und wir arbeiten sehr gut mit den Bürgermeistern zusammen. Auch ich bin bei diesem Ereignis natürlich nicht untätig gewesen. Wie so oft bin ich zunächst dafür verantwortlich, beim Rathaus unsere Plakate abzuholen und sie dann möglichst vielen Läden aufzuhängen, dabei immer wieder den gleichen Satz abspulend "Bonjour. Est-ce que je peux accrocher des affiches, s'il vous plaît?". Nach einer voherigen réunion (= Versammlung [in Frankreich muss alles ausführlich besprochen werden]), empfange ich am Vortag des Ereignisses die Arbeiter, die das gestiftete Zelt mitbringen und erkläre ihnen wo es aufgebaut werden soll und arbeite dann schließlich mit dem Komitee des Centre insgesamt 14 Stunden am Tag des Ereignisses an der Vor- und Nachbereitung sowie dem Ausschank der Suppen und dem Fotomachen. Für eine völlig unkommerzielle Assoziation stellt das Centre wirklich beeindruckende Spektakel und gemeinnützige Aktionen (bspw. Braderie) auf die Beine und ich bin froh, an solchen Tagen mit einer Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern rechnen zu können.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Auf den Spuren großer Künstler

Hier ein kultureller Ausschnitt aus der letzten Woche: In der Region Île de France im Großraum Paris habe ich letzte Woche das Geburtshaus von Claude Debussy besichtigt. Es enthält im ersten Stock ein kleines Museum und befindet sich in einer sehr schönen Altstadt gegenüber von Paris. Ebenso außerhalb befindet sich auch die pittoreske Stadt Auvers-sur-Oise, in der Van Gogh seine letzten Tage verbracht hat. Der Ort kann aufgrund seiner immer noch malerischen Schönheit als Ursprung des Impressionismuses begriffen werden. Neben einem Museum und dem Sterbezimmer von Van Gogh, sind auch viele Wegmarken, die Van Gogh gemalt hat und somit verglichen werden können, ein lohnenswertes Ausflugsziel.
 Ein Beispiel: Die Kirche von Auvers-sur-Oise im Original auf dem "Pilgerweg von van Gogh" und  das Gemälde.


Dienstag, 22. Oktober 2013

Versailles im Herbst

Hier ein kleines Album der Exkursion zum Schloss Versailles.
Im Fokus: Der englische Garten von Marie Antoinette - ein wunderschöner Park mit normandischen Dorfhäusern!

Montag, 7. Oktober 2013

Von Paris profitieren: Opernbesuch und Stars getroffen


Auch wenn ich nach ein paar Wochen Paris der Meinung war, es koche auch nur mit lauwarmen Wasser, schließlich habe Essen genauso viel zu bieten (dort hängen auch Van Gogh und Picasso), so kann man kulturell von Paris doch noch ein wenig mehr profitieren. 3 Opernhäuser, 2 große Konzertsäle und allerhand Festivals und Staraufgebote sind für mich doch ein Grund, Paris nicht zu unterschätzen. Viel früher als gedacht, konnte ich sogar schon letzte Woche den ersten Opernbesuch in der Bastille auf nahezu erstklassigen Plätzen machen, da die Kartenbesitzerin erkrankt ist und mir die Karte überlassen hat.

Desweiteren habe ich letzte Woche - und das ist ein echtes Highlight - das festival de musiques à l'image (ein Filmmusikfestival) besucht. Nicht nur dass mir die Filmmusikgröße Harry Gregson-Williams (Shrek, Narnia) seine Hand gereicht hat, ich hatte das Vergnügen in der Masterclass meines europäischen Lieblingskomponisten Bruno Coulais (Die Kinder des Monsieur Mathieu) zu sitzen. Am Sonntag gab es dann auch noch ein traumhaftes Filmmusikkonzert unter dem Dirigat von Frank Strobel und Harry Gregson-Williams in dem Kino le Grand Rex. Überrascht musste ich aber einige male grinsen über die Unseriösität in französischen Konzerten im Vergleich zu Deutschland. Als in der Oper Bastille viele Besucher in Zivilkleidung erschienen sind und nach jeder Arie angefangen haben zu klatschen, hatte ich mir noch nicht viel dabei gedacht. Als beim Filmmusikkonzert viele Besucher ihre Handys zu Live-Aufnahmen zückten,  mitten im Stück jubelten und klatschten, als sie Star Wars oder Indiana Jones erkannten und Videosequenzen zur Musik projiziert wurden, war ich wirklich sehr überrascht, kann aber nur sagen, eine absolut angenehme Atmosphäre und ein unglaublich schönes Konzert erlebt zu haben.




Freitag, 4. Oktober 2013

Die Gesundheit an erster Stelle

Letztes Wochenende habe ich mit den französischen Pfadfindern mein erstes Lager verbracht. Auf einer Wiese, ca. 1 Autostunde von Paris entfernt, dessen Lagerraum nichts weiter bot als ein Wasseranschluss, haben wir in Zelten geschlafen, Lagerfeuer gemacht und Spiele gespielt. Soweit so gut, aber zurück zur Wiese. Dass die Franzosen nicht gerade etepetete sind, dürfte vielen bekannt sein. "C'est comme ca" sagt man, worauf ich in einem jüngeren Eintrag noch genauer drauf eingehen werde. Ich war jedenfalls sehr überrascht, dass eine 2-Tages-Klobrille über einer großen Grube im Wald nicht den geringsten Protest bei den Scouts auslöste, sondern sich stattdessen die Kinder am Morgen vor dem mit planenummauerten Örtchen in einer Schlange versammelten. An Handtücher zum Waschen des Geschirrs hatte auch kein Kind gedacht, die Teller wurden einfach auf die Wiese zum trocknen gelegt (am Samstag hat es übrigens ordentlich geregnet). Zumindest wir Mitarbeiter hatten einen großen braunen Lappen dabei, um sämtliche Töpfe ordnungsgemäß zu säubern. Letztendlich ist Geschirr aber sowieso überbewertet, denn hier trinkt man geschwisterlich aus großen Flaschen zum Weiterreichen. Aber genug gemeckert über die Hygiene, ein Wort zur Gesundheit. Am Samstag gab es als "Goûter" (das kann man garnicht übersetzen, sowas gibts nur im Land des Essens, es ist eine offizielle Zwischenmahlzeit) Quark mit Erdbeeren, nicht aber die Erdbeeren vom Feld, sondern die gezuckerten von Haribo. Am Sonntag gab es Kekse (und auch Trauben, die hat aber keiner genommen). Umgehauen hat es mich dann aber, als sich auf einer Art Gebotetafel für die Pfadfinder, auch die Regel "Jeder Pfadfinder achtet auch die Sicherheit und Gesundheit seines Körpers" befand. Dieses Gebot liest man aber sogar erstaunlicherweise ziemlich häufig in Frankreich, denn die Regierung ist sehr wohl bemüht, den gefräßigen Franzosen gesund und schlank zu halten. Das hat mich sehr verwundert, denn generell sind die Franzosen ja nicht für ihre dicken Bäuche bekannt. Schaut man aber genauer hin, stellt man doch fest, dass die Franzosen garnicht mal so gesund leben. Ein Tagesablauf: Morgens essen die Franzosen so gut wie garnichts. Ein petit-déjeuner (kleines Früchstück), ist nichts weiter als ein Croissant mit Kaffee. Wenn es mehr sein darf, ausschließlich süß. Ei, Käse und Schinken sind verpöhnt. Zum Mittag gibt es dann das déjeuner, das kann schon ein mehrgängiges Menü sein, in der Regel sind es aber Naschwaren oder Fertiggerichte. Sehr beliebt ist hier der Tiefkühlsupermarkt Picard, der dem Arbeiter ein Segen - dem Gesundheitsminesterium ein Dorn im Auge ist. Im Nachmittag gibt es dann den bereits erwähnten Goûter und Abends ein ordentliche Menü. Wer glaubt, die "französische Portionen" in den Restaurants lassen Rückschlüsse auf das Essverhalten ziehen, der irrt. Insgesamt gewinnt man nach den obligatorischen Gängen Vorspeise - Hauptspeise - Käseplatte - Dessert - Kaffee dann doch nen anderen Eindruck. Ich habe mich jedenfalls schneller an das Essen als an die Sprache gewöhnt. Die Präsenz ist durchaus die gleiche. Bei jeder Versammlung ist es ein Begleiter, manchmal auch der Fokus. Heute bei der Musikerversammlung der Kirche hatte jeder einen Teil für ein gemeinsames Essen beigetragen, geredet haben wir aber über ganz andere Dinge. Aus diesen nun ausführlich erklärten Gründen will die Regierung nun mit größtmöglicher Manipulation ohne Einbüßen des Umsatzes gegen das Konsumverhalten der Bürger vorgehen, was in der Realität so aussieht, dass unter jeder Gastronomie- und Naschwarenwerbung und in jedem Prospekt der Supermärkte ein großer Zusatz zu finden ist, man solle sich doch bitte Sport machen und auf seine Gesundheit achten. Im Ganzen finde ich das dann aber ziemlich lächerlich. Da sich die Franzosen viel Zeit zwischen den Gängen lassen, Fleisch häufig meiden und das Bier hier einfach "de la merde" schmeckt, bleibt der Bauchumfang der Deutschen immer noch einige cm über dem der Franzosen.

Donnerstag, 19. September 2013

Zur Arbeit
Was hat man sich unter einem Freiwilligen Friedensdienst im Ausland vorzustellen? Welches Bild assoziert man mit einem Ehrenamt im Ausland? 
  • der wohlhabende Weiße der dem afrikanischen Straßenkind frisch gepumptes Wasser eingeschenkt?
  • der Sozialarbeiter, der dem klein-kriminellen Ghettokind die Hand reicht?
  • der strahlende Mann hinter der Theke, der allen Obdachlosen Suppe eingeschenkt? 
Sich beim Unkraut jäten oder Kleider falten als Teil einer Wohltätigkeitskette zu verstehen ist garnicht immer so einfach. Ich bewundere nach wie vor die Damen in der Kleiderkammer, die über 3 Stunden mehrmals die Woche opfern um Kleider zu falten und zu sortieren ohne ein Ende des Kleiderberges voraussehen zu können. Vielleicht bekommen sie dafür Wochen später das Lächeln eines zufriedenen Kunden der Braderie zurück aber letztendlich ist ihre einzige Motivation die Gewissheit, dass minderbemittelte Menschen diese Kleidung gut gebrauchen werden können. Im Gegensatz zu den Lesern diesen Blogs ist der Begriff "Braderie" den Einwohnern von Bois-Colombes auch längst kein Fremdwort mehr. Dieser Flohmarkt, der 5 mal im Jahr als Verkauf der ganzen Kleiderspenden dient, scheint sich in der ganzen Stadt verbreitet zu haben. Wenn man am Empfang der Gemeinde sitzt und jeden Tag miterlebt, wie manchmal bis zu 30 Säcke an Kleidung und Kleinkram angeschleppt werden, dann weiß man, dass die Gemeinde (wenn auch nur als Schrottplatz) in der Stadt allseits bekannt ist. Was für eine öffentliche Repräsentanz. Manchmal bringen gut situierte Einwohner nagelneue und noch mit Etikett versehene Anzüge in hohem Wert vorbei, auch Töpfe, Mirkowellen und Gemälde landen hier. Leider sind aber auch viel ungewaschene oder stark abgenutzte Kleidungen dabei, die dann direkt in Tüten verpackt und wahrscheinlich zu Lappen verarbeitet werden. 

In wenigen Tagen beginnt auch endlich die Pfadfinderarbeit. Heute gab es eine erste Inforunde mit den Eltern. Ich musste schmunzeln, als am Ende der Sitzung alle Eltern ihr Checkbuch raus geholt haben um den Jahresbeitrag zu begleichen. Auch wenn es nur solche Kleinigkeiten sind, so sind die Franzosen und Deutschen doch sehr verschieden.

Zuletzt noch 3 Freizeithighlights:
Das Cité de la musique Museum in Paris, welches eine grandiose Instrumentensammlung beherbergt:
Der Kanal Saint-Martin:

 Und einen Zufallsfund mitten im Großstadtgetümmel: Parc des Buttes Chaumont, Paris





Sonntag, 15. September 2013

Highlight der Woche: Hillsong Church Paris
Eine Büchereikarte, ein Chor (der sogar ein deutsches Werk singt), Kontakte mit deutschen Au-Pair...
 - kurz: ich hab die Woche weiter Fuß gefasst. Am heutigen Sonntag morgen habe ich den Klavierdienst übernommen - das war nicht wenig Arbeit: 7 Klavierstücke, 5 liturgische Gesänge und 3 Choräle - und gemeistert, im Anschluss ein schöner Ausflug zur Freiheitsstatue und Eiffelturm, welcher dann in einem Besuch der Hillsong Church Paris endete. Nachdem man mir versicherte, dass meine Kirche zu den freiesten und ungewöhnlichsten Kirchen in Paris gehört, war die Freude groß als ich das von Hillsong angemietete Theater im 14. betrat. Mit isoliertem Schlagzeug, zwei Keyboards mit angeschlossenem MacBook, zwei Gitarren, Bass, 6 Sängern und einer modernen Lichtanlage sorgten Musiker und Techniker für einen Worship Sound, der alle Jugendlichen aus den Stühlen riss und die sie vor der Bühne tanzen und arme wedelnd jubeln ließ. Mit einer stärkenden Predigt gehe ich in die nächste Woche und freue mich schon auf den nächsten Gottesdienst (der 4 mal am Sonntag statt findet) in der Hillsong Church Paris.




Fitness an der Seine

Sonntag, 8. September 2013

Das erste Mal in Paris
Heute war ein Tag mit vielen neuen Erlebnissen. Der Sonntag begann mit dem für mich ersten Gottesdienst in Frankreich. Ich wurde auch direkt der gesamten Gemeinde vorgestellt. Wie jeden Sonntag gab es auch heute ein Abendmahl, welches ganz anders als in Deutschland ist. Wir standen alle in einem großen Kreis und haben - wie könnte es auch anders sein - tatsächlich Baguette und Wein geteilt. Von dem Baguette, welches herum ging, nahm man sich ein Stück und gab es mit den Worten "Jesus mit dir" dem Nächsten, der es dann aß und ein neues Stück abriss. Der Wein wurde aus einem großen Kelch für alle getrunken.

Desweiteren war ich auch heute das erste Mal für diesen Aufenthalt in Paris drin. Mit den 2 Mitfreiwilligen aus einem östlichem Vorort von Paris, sind wir zusammen durch die Hauptstadt getingelt, u.a. dem Friedhof Père Lachaise.




Braderie - eine beeindruckende Arbeit
Nachdem ich mir meine erste Erkältung eingefangen habe, dürfte ich mittlerweile das Leitungswasser und die trockene Luft überwunden haben. Heute war die Luft auch sehr angenehm frisch, sonnig und warm ist es aber immer noch :) Ich fühle mich sehr wohl hier in Colombes. Die Stadt hat alles was man braucht; eine Innnenstadt mit Geschäften und Büchereien und wie schon erwähnt das unweit entfernte La Défense, wo man wirklich alles bekommt.












Die Braderie ist am Samstag zu ende gegangen - eine beeindruckende Arbeit. Die Wochen zuvor wurden täglich spenden angenommen und sortiert, und dann alles an einem Tag aufgebaut, 2 Tage verkauft und abgebaut. Die Frauen der Braderie haben dann noch 5 Stunden zusätzlich jeden Tag verkauft und beraten. Und das ganze findet 5 mal im Jahr statt. Ich war sehr beeindruckt von dieser Hingabe. Ich vermute viele Menschen invenstieren in der Gemeinde dort sogar noch mehr Zeit, als ich es als Praktikant dort tun werde. Kleiderspenden kommen deswegen in so großer Zahl zustande, weil Ottonormalverbraucher, wie ich auch, viel zu faul ist, die Kleidung selbst zu verkaufen oder gezielt weiter zu geben. Ich gebe mein Problem einfach weiter, und andere werden sich darum kümmern, ob man die Hose noch tragen kann oder das Hemd modisch ist.
Besonders war aber auch am Samstagabend die Feier nach der Braderie. Alle Beteiligten saßen bei Citré und Kuchen beisammen und haben es sich gut gehen lassen. Ich war völlig verwirrt als dann eine Frau zwei Teller aufgeräumt hat und daraufhin auf einmal die komplette Truppe aus dem ruhigen Miteinander heraus aufgestanden ist und innerhalb 3 Minuten alles sauber gemacht hat, aber anscheinend wollten sie auch mal zuhause sein. 

Mittwoch, 4. September 2013

Heute das erste Mal daheim gewesen!
Seit 3 Tagen lebe ich jetzt in Frankreich, es waren bisher 3 intensive Tage und noch 3 intensivere Tage werden folgen...
Am Montag bin ich also endlich angekommen; mit Wanderrucksack, Geigenkoffer und Gepäckkoffer habe ich mich in die RER gesetzt und die neue Arbeitsstelle in Bois-Colombes kennengelernt. Mit den landesüblichen Bises wurde ich von den vielen Damen der Empfangsarbeit herzlich empfangen - die meisten heißen Francoise, das ist leicht zu merken - und habe mittlerweile einen Einblick in die Tätigkeitsfelder von der Kleidersortierung, über die (Obdachlosen-) Empfangsarbeit bis zur Gartenarbeit gewonnen. Abends wurde ich dann zu meiner neuen Gastfamilie in Colombes gefahren, die mich sehr liebevoll aufgenommen hat. Ich habe ein eigenes Zimmer, mit Internet (mittlerweile), Dusche und kann sogar das Fahrrad mitbenutzen. Dienstag habe ich direkt einen kleinen Auslug zum unweit entfernten La Défense gemacht, der einen Blick auf den Arc de Triomphe ermöglicht (siehe Foto).

Mit dem Gastvater Olivier und seiner Tochter Caroline, eine Künstlerin, sitzen wir morgens und abends zusammen am Küchentisch und erweitern meinen kulturellen und sprachlichen Horizont. Die beiden sind aber sehr nett und aufgeschlossen und es fällt nicht schwer, sich an das hiesige Essen zu gewöhnen; zunächst einmal sind da die Dinner, die ohne ihre 3 Gänge undenkbar wären, oft gibt es sogar zweimal am Tag diese Menüs, dann das Graubrot welches Olivier mit seiner Brotmaschine backt (wir hatten bisher noch kein Baguette) und zuletzt und als wichtigstes; fast alle Lebensmittel sind von LIDL! Ein Milbona Logo hier, ein Dulano Logo da und 500km sind schnell überwunden. Heute war der großer Einkaufstag und ich konnte direkt einen Heimatsbesuch mit dem Fahrrad machen. Das LIDL ist zwar viel kleiner; aber viele Kartons tragen deutsche Bezeichnungen und geben mir nach den vielen Stunden französischer Dialoge ein Gefühl, nicht allein zu sein.

Die nächsten drei Tage werden mindestens ebenso intensiv, denn dann erreicht die Braderie Arbeit ihren Gipfel. Alle Kleidungsstücke, Bücher und sonstige Spenden an die Gemeinde werden am Donnerstag zum Verkauf aufgebaut und am Wochenende für wenige Euros verkauft. Ein Wahnsinnsaufwand, die Kleiderkammern sind überfüllt mit Koffern und Schränken voller Kleidungen, aber die Nachfrage ist enorm hoch. Danach dürfte es erstmal wieder ruhiger werden aber zu erzählen gibt's immer genug. In diesem Sinne; macht's gut. Euer Gabriel!